Pizza Margherita in schwindelerregender Höhe

21.08.2019

Als wir die Hütte betreten riecht es nach Pizza. Einen Blick in die Küche verrät uns, dass wir von unserem Geruchssinn nicht getäuscht werden. Auf der Capanna Regina Margherita, in 4.550 Meter, backt im Ofen eine Pizza Margherita vor sich hin und wird ihrem Hüttennamen voll gerecht.

In den letzten Tagen beschäftigten wir uns erstmals ausführlicher mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben. Trotzdem geniessen wir noch unser Privileg der Auszeit, jederzeit bei schöner Wettervorhersage die Tage anderweitig zu nutzen. So ziehen wir dieses Mal gegen Süden, nach dem uns das Wetter im Norden eher zu Schreibarbeiten einladen möchte. Wir machten uns auf dem Weg über das Wallis ins Aostatal, an die Talstation der Monte Rosa Seilbahn in Alagna. Die Nacht verbrachten wir wild mit unserem Anton. Zumindest so wild, dass uns der Fuchs in der Nacht eine Sandale geklaut hat und diese unauffindbar versteckt lässt. Um acht Uhr morgens ging es mit der Bahn von 1205 Meter zur Punta Idren auf 3260 Meter. Von dort aus starteten wir unsere Hochtour bei idealen Bedingungen zur Zumsteinspitze und zur Signalkuppe mit Übernachtung auf der Capanna Margherita. Kurz nach dem Start an der Punta Idren entschieden wir uns gegen den Lemmingeffekt und überquerten die Moräne zur Mantovahütte ohne Steigeisen, was unglücklicherweise mit Schürfwunden im Gesicht endete, weil Sandra den Boden küsste. 

Der weitere Verlauf der Tour verlief einwandfrei. Bei herrlichen Sonnenschein und einer eindrucksvollen Fernsicht überquerten wir den Lysgletscher bis zum Entdeckerfelsen und wurden überwältigt vom Anblick des Lyskamms. Etwas rechts davon ragte das Matterhorn zwar immer noch majestätisch aus dem Boden, doch es hatte bei Weitem nicht mehr diesen ehrfürchtigen Charakter. Ein Blick zur Capanna Margherita liess verraten, dass wir bei diesem Traumwetter nicht alleine unterwegs sind. Mittlerweile herrscht auch über 4000 Meter ganz schön Verkehr. Gemütlicher ging es beim Aufstieg zur Zumsteinspitze zu. Wobei auch dort ein deutscher Bergtourist die Erwartung an uns hatte, wir könnten uns doch etwas weiter in den Abgrund stellen, damit er nicht so ausgesetzt im Wind warten muss. Seinem Bergführer blieb da nur noch ein Augenzwinkern, damit er nicht die Augen verdrehen musste. Über den Wolken und umrahmt von den 4000er Giganten genossen wir zwei mutterseelenallein den Gipfelerfolg. Während des Abstiegs und dem Anblick in die Tiefe des abfallenden Geländes mussten wir unserer Angst schon mal den Schrecken nehmen. In naher Entfernung thront auf der Signalkuppe die Capanna Margherita - unser heutiges Tagesziel. Wir fühlen uns trotz der Höhe puddelwohl und sind auf der windausgesetzten Kuppe froh, dass wir in der Hütte Unterschlupf finden. Nachdem wir unser Nachtquartier bezogen haben, können wir uns keinen schöneren Ort vorstellen, unseren Cappuccino zu geniessen. Wir sind stolz unser Teilziel erreicht zu haben und planen den Folgetag über die Parrotspitze, die Ludwigshöhe und dem Schwarzhorn zurück zur Punta Idren. Dazu soll es dann aber doch nicht kommen. Reto bekommt in der Nacht plötzlich die Höhenluft zu spüren. Während Sandra am Morgen um Fünf motiviert für den Sonnenaufgang aus ihrem Nest kriecht, fühlt sich Reto erschlagen. Herzrasen und Kopfschmerzen begleiteten ihn über die Nacht. Er hadert mit sich selbst und unserer Entscheidung ohne Akklimatisation in dieser Höhe "rumzuturnen". Nach zwei Stunden Schlaf ist er aber schon fast wieder der Alte. Trotzdem verzichten wir auf die Überschreitung der Parrotspitze und steigen über die Ludwigshöhe direkt zur Seilbahn ab. Dort grüssen uns die zutraulichen Steinböcke zum Abschied. Natürlich plagt uns bei der Talfahrt etwas Wehmut, die anderen Gipfel nicht erreicht zu haben. Doch Scheitern, Enttäuschung, Angst und Tränen gehören genauso zum Element Berg, wie strahlende Gesichter, sportliche Erfolge und eindrucksvolle Landschaften. Wenn uns das Monte Rosa Massiv ruft, kommen wir wieder keine Frage und dann steht der Berg bekanntlich immer noch da. Erlebnisse, wie das Zähne putzen auf 4550 Metern vom Balkon der Hütte über die spektakulären Felskanten der Signalkuppe und dem Blick zum aufgehenden Mond über Mailand sind es allemal wert, sich auf solche Abenteuer einzulassen. Mit wunderbaren Erinnerungen verlassen wir noch am selben Tag das Aostatal in Richtung Lago Maggiore. 

© 2018 Sandra Gschnitzer & Reto Conrad. Alle Rechte vorbehalten.
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